Grün verbindet

Die Projekte der IBA_Wien beweisen, dass die Freiraumplanung eine zentrale Rolle bei der bauplatzübergreifenden Quartiersentwicklung spielt und weit mehr Funktionen übernimmt, als nur eine Behübschung.
MAIK NOVOTNY

Wenn die Internationale Bauausstellung IBA_Wien „Neues soziales Wohnen“ im Präsentationsjahr 2022 ihre Ergebnisse zeigt, wird sich der Blick der Öffentlichkeit vor allem auf das Gebaute richten. Schließlich ist es eine Bauausstellung, und das Wohnen findet seine Form im Wohnbau. Doch das wäre nicht die ganz Geschichte. Denn einer der wesentlichen Einflüsse der IBA auf das System Wiener Wohnbau betrifft weniger die Einzelobjekte als die Prozesse. Schon bei den Stadtentwicklungen Berresgasse und Neu Leopoldau ist zu sehen, wie die bauplatzübergreifende Koordination und Kommunikation mit vergleichsweise wenigen Mitteln zu einer enormen Qualitätssteigerung führen kann. Eine besondere Rolle spielen dabei die Landschaftsarchitekten, bei denen der Blick über die Bauplatzgrenze zum Selbstverständnis gehört.

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„Leistungen, die die Koordination betreffen, wurden bisher häufig von Landschaftsarchitekten übernommen, nicht selten weitgehend unbezahlt“, erklärt IBAVisualisierung Koordinator Kurt Hofstetter. „Dies ist aber für die Kooperation ganz wesentlich, weil so Dinge sichtbar werden, die sonst nicht sichtbar sind. Wir haben im 1.Bauabschnitt der Seestadt Aspern gesehen, welche Qualitäten es hat, wenn ein Landschaftsplaner ein größeres Gebiet übernimmt, wenn Materialien und Möbel koordiniert sind, wenn sich eine Handschrift durchzieht. Auch der Freiraum beim Quartier In der Wiesen Süd ist beeindruckend in seiner ausdrucksstarken Großzügigkeit.“

Dialog auf breiter Basis

Das Quartier „An der Schanze“ in Wien-Donaustadt entwickelt diese vielversprechenden Ansätze weiter und baut auf den bisher gemachten Erfahrungen auf. Insgesamt zehn Teams waren am zweistufigen Bauträgerwettbewerb im Dialogverfahren beteiligt, über 1.500 Wohnungen werden hier entstehen, rund 90 Prozent davon gefördert. Der vom wohnfonds_wien in Kooperation mit der IBA_Wien ausgelobte Wettbewerb startete bereits im Februar 2019, der Dialog wurde dabei auf breiter Basis geführt. Neben Bürgerbeteiligung und drei großen Workshops, organisiert und begleitet vom Büro „Raumposition“, fanden auch selbstorganisierte Arbeitsgruppentreffen zu den Themen Erdgeschoß- und Sockelzone, soziale Nachhaltigkeit, Freiraum und Mobilität statt. Für das Projektmanagement wurde das Büro Attacca beauftragt.

Eine Schlüsselrolle kam dabei dem Freiraum zu. Das Konzept beinhaltet hier mit der Stadtwildnis und dem „Ereignisband“ bauplatzübergreifende Elemente, bei denen eine Koordination unumgänglich war. Diese beschränkte sich keineswegs nur auf das Nötigste: Beim Quartier An der Schanze wurde der Freiraum zu einem Motor der Koordination, zum wesentlichen Faktor einer Einheitlichkeit für das Quartier. Auch dank neuer Methoden, wie IBA-Koordinator Kurt Hofstetter berichtet: „Beim Quartier An der Schanze wurde eine Projektmappe Freiraumkoordination erstellt, was es bei einem Bauträgerwettbewerb in dieser Form bis dahin noch nie gegeben hatte.

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Auch das vom wohnfonds_wien extern vergebene Projektmanagement war eine Neuigkeit. Nicht zuletzt tragen die zweistufigen Verfahren mit ihrer vom wohnfonds_ wien unterstützten Abstimmungsebene viel zum Wissensaustausch und zum gegenseitigen Verständnis bei.“

Intensiver Austausch

Eine Leistung, die sich auszahlte, die aber nicht unaufwendig war, wie Landschaftsplaner Joachim Kräftner erzählt, dessen Büro die Freiraumkoordination übernommen und die Projektmappe für das Quartier erstellt hat. „Das Verfahren war wirklich Neuland. In Summe haben wir ein Jahr lang daran gearbeitet. In der 1. Wettbewerbsstufe wurden Ideen von den Planern und Bauträgern auf den jeweiligen Baufeldern entwickelt, in der 2. Stufe wurden die Teams untereinander koordiniert. Es wurden Workshops abgehalten mit intensivem Austausch, mal in größeren Runden, mal speziell nur für Architektur, Freiraum und soziale Nachhaltigkeit. Sehr wichtig war es, Schnittstellen zu identifizieren und festzulegen, welche Fragen gemeinsam behandelt werden müssen und welche individuell behandelt werden können.“

So konnte man auch gegenüber der Stadt mit konkreten Fragen gemeinsam auftreten, etwa was Höhenlage, Kanal, Anschlüsse, Servitute und Feuerwehrzufahrten betrifft. Jene Bauplätze, die die Stadtwildnis umfassen, wurden diesbezüglich zusätzlich koordiniert. Die Projektmappe mit dem Ergebnis dieses intensiven Austauschs wurde nach der 2.Wettbewerbsstufe erstellt, nochmals dem wohnfonds_wien und der Jury präsentiert und wird jetzt für die Umsetzung fit gemacht. „Dies ist sinnvoll im Sinne einer Selbstverpflichtung aller Beteiligten, die vereinbarten Inhalte auch umzusetzen“, sagt Joachim Kräftner.

Auch eine Green-Pass-Simulation, wie sie schon beim „grünen“ IBA-Vorzeigeprojekt Biotope City durchgeführt wurde, kam hier zum Einsatz, und auch dabei wurden alle Bauplätze aufeinander abgestimmt. „Eine solche Simulation hat sich als sehr hilfreich erwiesen hinsichtlich der Verdunstungs- und Verschattungseffekte“, sagt Kurt Hofstetter.

Nachweisbare Vorteile

Überhaupt lassen sich am Freiraum der Fortschritt und die Lerneffekte der quartiersbezogenen Planung perfekt ablesen. Vieles, was noch vor Jahren undenkbar, nicht mehrheitsfähig, zu kompliziert oder zu teuer schien, ist jetzt sozusagen ins System integriert…

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