Neu: Fernwärme für 50 Jahre alte Wohnanlage in München mit 675 Wohnungen – aber kostenneutral für Mieter

Die Stadtwerke München unternehmen große Anstrengungen, um das Ziel der hundertprozentigen CO2-freien Erzeugung der Fernwärme bis 2040 zu erreichen. Dabei setzen die SWM auf Fernwärme aus Geothermie. Die SWM haben bereits mehrere Geothermiebohrungen in München niedergebracht. Im Stadtteil Sendling wird derzeit gebohrt, weitere Bohrungen in Neuperlach und Pullach sind geplant. In unmittelbarer Nähe der Wohnanlage in Neuaubing wurde im letzten Jahr eine Geothermieanlage in Betrieb genommen. Das Fernwärmenetz besteht in diesem Stadtteil bereits seit 2010.

Die Ausgangslage in vielen Wohnungen aus den 1960er Jahren ist oft gleich: Der wesentliche Bestandteil der Energiezentrale ist über 50 Jahre alt. So war es auch bei einer Wohnanlage mit 675 Einheiten im Münchner Stadtteil Neuaubing. Sie bestand viele Jahre aus ehemals drei Kesseln mit jeweils 2.300 kW Leistung. 2005 begann man, einen der drei Kessel durch eine Hackschnitzelanlage zu ersetzen. Seitdem werden etwa 80 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen hergestellt. Ab sofort soll die Spitzenlast und Redundanz durch Austausch der zwei verbliebenen Gas-Kessel durch eine Fernwärmeversorgung gedeckt werden – in Verbindung mit Hackschnitzel in der Grundlast. Die große Herausforderung besteht nun darin, alle 14 Unterstationen inklusive Zentrale auf Fernwärme umzurüsten.

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Ein Betriebskostenneutralitätsvergleich ist Pflicht

Vor den Beginn des Fernwärmeanschlusses hat der Gesetzgeber aber eine große Hürde gelegt: den Betriebskostenvergleich gemäß Mietrecht (§ 556c BGB und §§ 8, 9, 10 WärmeLV). Dieser bedeutet, dass die Umstellung auf Fernwärme für die Mieter kostenneutral sein muss. Er darf also nicht mehr zahlen als vorher. Üblicherweise gehört die Zentralheizung zum Gebäude und ist in der Kaltmiete enthalten. Die reinen Betriebskosten der Heizung – also Gas, Heizöl, Strom und Wartung – werden auf die Mieter als Nebenkosten umgelegt.

Bei nahezu allen größeren Fernwärmeversorgungen in Deutschland werden über den Fernwärmepreis auch Investitionsanteile für die Energiezentrale und das Fernwärmenetz mit umgelegt. Der Fernwärmepreis ist also in der Regel höher als die reinen Betriebskosten der bisherigen Versorgung. Um die Kostenneutralität zu erreichen, müssten bei Umstellung auf Fernwärme die Mietverträge geändert werden, um beispielsweise die Kaltmiete zu senken oder die Vereinbarung über die Versorgung aus einer Zentralheizung zu ändern. Bei einem Objekt mit 675 Wohnungen und Mietverträgen aus fünf Jahrzehnten ist solches praktisch unmöglich.

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Bei der Wohnanlage der Heimbau Bayern in München Neuaubing ist es gelungen, die Kostenneutralität nachzuweisen. Wichtiger Baustein dafür ist der Biomassekessel, der bereits seit 2005 ca. 80 Prozent der benötigten Wärme erzeugt. Dieser soll auch in Zukunft als primärer Wärmeerzeuger weiterbetrieben werden.

Hohe Hürden beim Energieanschluss älterer Gebäude

Die Stadtwerke München haben bei ihren technischen Bedingungen hohe Qualitätsanforderungen gesetzt. Gemäß Datenblatt der Stadtwerke muss die Fernwärme-Rücklauftemperatur im arithmetischen Mittel über den Zeitraum einer Woche 40°C betragen. Dies hat mehrere Gründe: Je geringer die Rücklauftemperatur, desto größer wird die Spreizung zwischen Vorlauf und Rücklauftemperatur und desto mehr Leistung kann über das gleiche Fernwärmenetz übertragen werden. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass die Geothermiebohrungen umso besser ausgenutzt werden können, je kühler der Fernwärmerücklauf ankommt. Je geringer die Rücklauftemperatur, desto größer ist der Wärmegewinn aus der Geothermiebohrung bei gleich hohen Betriebskosten.

Für die Wohnungswirtschaft ist das eine große Herausforderung. Neubauten kann man beispielsweise mit Fußbodenheizung ausstatten, um so geringe Temperaturen zu erreichen. Aber eine 50 Jahre alte Wohnanlage? Die Heizung aus dem Jahr 1964 war damals sicher auf Temperaturen von 90/70°C ausgelegt worden. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Temperaturen etwas abgesenkt. Derzeit erfolgt der Betrieb mit Vorlauf 80-85°C und Rücklauf 60-65°C. Für sogenannte Umstellanlagen, die also von einem anderen Brennstoff auf Fernwärme umgestellt werden sollen, greift eine Sonderregelung. Bis zum maßgeblichen Umbau oder der Modernisierung der Gesamtanlage werden höhere Rücklauftemperaturen akzeptiert. Mit den Stadtwerken wurde daher vereinbart, dass die Heimbau Bayern die Anlage derart umbaut, dass ein Zielwert von 50°C innerhalb von fünf Jahren erreicht wird.

Umbau der Unterstationen nach vorheriger Simulation

Um dies zu erreichen, müssen alle 15 Unterstationen der Wohnanlage umgebaut werden. Zusammen mit der Heizungsbaufirma Weigerstorfer in Freyung hat das Ingenieurbüro Gundelach aus Wildflecken (Lkr. Bad Kissingen) in den letzten Monaten ein Konzept entwickelt. Es zeigt auf, wie die Stationen so umgebaut werden können, dass die Rücklauftemperatur gesenkt wird. In der gesamten Wohnanlage gibt es bereits ein spezielles System der Trinkwassererwärmung mit je zwei Plattentauschern als Vorerwärmer und Nacherhitzer. Dieses System wurde von der Firma Weigerstorfer mit entwickelt, welche schon seit etwa 40 Jahren für die Heimbau Bayern arbeitet.

Das hydraulische System mit konstantem Durchfluss auf dem Kesselkreis bedingt aber hohe Rücklauftemperaturen zum Kessel. Dies war bei den damals eingebauten Kesseln auch so gewünscht und hat sicher zu der langen Lebensdauer von über 50 Jahren beigetragen.

Ralf Gundelach bringt die wesentlichen Unterschiede der Technik und Anforderungen auf folgenden Nenner: „Die Stationen müssen umgebaut werden, um die Rücklauftemperatur abzusenken. Früher lautete die Philosophie: Immer gleichmäßig hohe Wassermenge über den Kesselkreis mit hohen Rücklauftemperaturen, was in der Regel eine lange Lebensdauer bedeutete. Heute lautet die Philosophie: Möglichst kleine Wassermengen im Kesselkreis, dafür niedrige Rücklauftemperaturen. Das bedeutet: „Weniger Stromverbrauch für die Pumpe, weniger Wärmeverlust und ein besserer Wirkungsgrad“, erläutert der Diplom-Ingenieur.

Das Ingenieurbüro Gundelach hat verschiedene Varianten für einen möglichst einfachen Umbau simuliert und mit der Heizungsbaufirma abgestimmt. In einem ersten Schritt wurde eine Unterstation als Muster umgebaut. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Bestandsventile gegen kleinere mit geringerem KVS-Wert getauscht werden müssen. Der Stellantrieb des Ventils für die Warmwasserbereitung wurde mit kürzerer Laufzeit gewählt…

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