Wärmewende muss auch eine Infrastrukturwende sein. Mit Wärmepumpe und Sektorenkopplung geht’s zum Klimaziel

„Klimaneutralität – aber wie? Wärmeversorgung als entscheidender Faktor“ – Brennpunkt-Thema einer Expertenrunde der Initiative Wohnen.2050 im Rahmen der Berliner Energietage 2021. Vertreter von Verbänden und Wissenschaft fordern ein Umdenken und mehr Flexibilität beim Einsatz regenerativer Energien sowie angepasste regulatorische Rahmenbedingungen.

Die Wohnungswirtschaft steht in den kommenden 30 Jahren vor ihrer wohl größten Herausforderung: der Klimaneutralität des Gebäudebestands in Deutschland. Auf dem Weg zu dieser Transformation hat der Gesetzgeber gerade neue Hürden aufgestellt: Die aktuelle vorläufige politische Einigung des Rates und des Europäischen Parlaments sieht vor, dass bereits bis 2030 – also in neun Jahren – 55 Prozent der CO2- Treibhausgase eingespart werden müssen.

- Anzeige -

Auch das am 29. April 2021 ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt deutlich: Die Dringlichkeit nimmt konstant zu, die Herausforderungen wachsen. Wie bereits im Zuge der Entscheidungen auf EU- und Bundesebene zu erwarten, wurden nun auch die deutschen Sektorziele erheblich verschärft. Am 5. Mai kündigte die Bundesregierung an: Die CO₂-Minderung bis 2030 soll von 55 auf 65 Prozent erhöht werden, Klimaneutralität ist nun schon für 2045 vorgesehen!

Allesamt Tatsachen, die langfristig investierende Bestandshalter mit einem sozialen Mietauftrag vor immer größere Zielkonflikte stellen, bei gleichsam massiv wachsendem Handlungsdruck. Folgerichtig stellen sich eine ganze Reihe an Fragen: Wie kann die Wohnungswirtschaft das nur bewältigen? Schafft sie das überhaupt alleine? Wer wäre hier mit in die Verantwortung zu nehmen?

- Anzeige -

Schon die Besetzung des Panels der Initiative Wohnen.2050 (IW.2050) bei den „Berliner Energietagen 2021“ spiegelte die mögliche Antwort: Eine wesentliche Rolle fällt dem Energiesektor in all seinen Facetten zu! Experten aus Verbänden und Wissenschaft kamen in der Diskussion daher ebenso zu Wort wie auch sieben der mittlerweile über 90 Partner der IW.2050.

Sie berichteten in eingeblendeten Statements über ihre bisherigen Maßnahmen und Erfahrungen bei der Energieversorgung ihrer Bestände. Immerhin vertreten die Wohnungsunternehmen des Zusammenschlusses die nicht unerhebliche Anzahl von rund 1,8 Millionen Wohneinheiten, die alle bis 2050 klimaneutral werden sollen.

Energiewirtschaft im Wandel

Volker Angres, Leiter der ZDF-Redaktion Umwelt und Moderator der Online-Veranstaltung, skizzierte die Ausgangssituation: Demnach könnten Wohnungsunternehmen mit einem sozialen Versorgungsauftrag in der Regel maximal 70 bis 80 Prozent CO2 -Reduktion leisten – gemessen vom Beginn dieses Jahrzehntes an bis 2050. Je nach Umfang der bereits vorgenommenen Modernisierungen auch zum Teil weniger.

Alles darüber hinaus sei nur über den Energiesektor zu erzielen. Den Wärmequellen und Wärmelieferanten komme so eine ganz besondere Bedeutung zu. Dieser Einschätzung schloss sich Christian Maaß an, Geschäftsführer des Hamburg Instituts. Allerdings treffe er in diesem Punkt oft auf ein grundsätzliches Missverständnis in Deutschland: In der Regel stünden die Gebäude und deren Eigentümer als maßgebliche Akteure im Fokus, sobald es um das Erreichen der Klimaziele geht.

Zum angestrebten klimaneutralen Wohnungsbestand könne jedoch die Energiewirtschaft eine ganze Menge beitragen: „Die Wärmewende muss auch eine Infrastrukturwende sein. Hier kommt die Energiewirtschaft ins Spiel – etwa dann, wenn es um den Ausbau der Fernwärme geht, aber auch beim Umbau der bestehenden Fernwärme-Netze.“ Maaß fordert, „dass die Stromnetze fit gemacht werden und in großen Mengen Wärmepumpen ins System kommen“. Flexibilität und Innovation in der Energiewirtschaft seien daher dringend gefragt.

Sektoren koppeln

Für Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender DWV – Deutscher Wasserstoff und Brennstoffzellen-Verband e. V., besteht kein Zweifel daran, dass die Klimaziele 2050 erreicht werden – vorausgesetzt, unterschiedliche Infrastrukturen und Branchen würden gekoppelt und der Energieträger Wasserstoff komme zum Einsatz. Nur eine Sektorenkopplung von Strom, Wärme und Wasserstoff, alle grün erzeugt, ermögliche die angestrebte Energiewende und schaffe zugleich Versorgungssicherheit.

Entscheidendes Potenzial sehen die Experten in der Fernwärme – für viele Wohnungsunternehmen bisher Nummer eins in der Wärmeversorgung. Die Aufbereitung bei den meisten Fernwärme-Versorgern erfolge allerdings bis heute mehrheitlich auf Basis fossiler Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) – durch Kohle und Erdgas.

Wärmepumpe als Leittechnologie auch in der Fernwärme

Christian Maaß sieht allerdings auch großes regionales Potenzial für grüne Wärmegewinnung – etwa industrielle Abwärme von Stahl- oder Aluminiumwerken

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema